Namaste liebe Freunde,
Hier ein Auszug aus meiner Island-Reise im Mai...
...ich war so langsam dabei mit Pola (mein Leihauto, weißer Polo mit Sommerreifen, nicht öffenbaren Kofferraum und Luft verlierenden linken Vorderreifen) in den
Südosten Islands zu kommen. Gestern hat ein starker Wind angefangen. Hab Pola
direkt vor meinem Zimmerfenter der Jugendherberge abgestellt und wie ich dann
später beim Fenster hinausschaue, sehe ich wie es Pola im Wind ziemlich heftig
hin und herschaukelt, dass ich mir schon denke, jetzt wird sie dann bald
umkippen. Beschließe mich dem Orkan zu stellen, hinauszugehen und das Auto mit
der Schnauze voraus in Windichtung zu stellen, damit es sie nicht vielleicht
wirklich umhaut. Beim Aufmachen der Tür fährt der Wind ins Auto hinein und
erfasst meine Straßenkarte und trägt sie davon. Ich beginne gleich ihr
nachzulaufen, doch merke auch schnell, dass das hoffnungslos ist, weil sie
sowieso nach wenigen Sekunden schon über dem Meer zu fliegen scheint. Ich frage
mich kurz „Warum?!“ und finde es dann aber doch ziemlich lustig, vor allem wenn
ich mich selbst dabei vorstelle, wie ich der Karte nachgerannt bin.
Der nächste Tag ist dann noch immer sehr
windig und ich mache mich auf Richtung Osten. Habe seit gestern jetzt noch
weniger Plan als ich vorher schon hatte, abzüglich der Straßenkarte, ergibt das
annähernd null Plan. Sieben Tage in Folge habe ich nun schon annähernd in sozialer
Isolation verbracht, so langsam hab ich das Gefühl, dass mir Gesellschaft doch
gut tun könnte. Gott sei Dank weiß das liebe Leben anscheinend immer, was ich
gerade so nötig habe und stellt mir nahe den Ostfjorden ein autostoppendes
Pärchen an den Straßenrand. Es ist noch immer wendig, den beiden scheint es von
weiten schon scheißkalt zu sein und bleibe mit Pola stehen. Noch immer planlos,
wo mich der heute Tag noch hinführen wird, beschließe ich die beiden zu fragen,
wo sie hinfahren wollen und werde mich dementsprechend mit meiner Route
anpassen. Bei den Hitchhikern handelt es sich um ein französiches Pärchen, das
auf den Weg in die Stadt Egilstadir, etwa 200 km weiter nördlich ist. Sie
steigen ein und ich habe so das Gefühl, die beiden hätten sich im Nachhinein
gewünscht, ein anderes Auto gewählt zu haben, eventuell eines mit Winterreifen,
Allradantrieb oder zumindest Winterausrüstung.
Kurze Rückblende: Vor etwas einer Woche
habe ich einer Hostelmama von meinen Plänen erzählt in den Osten zu fahren und
sie hat gemeint, ich solle aufpassen, da die Wettervorhersage Schneefall ansagt
und ich habe mir dabei gedacht: „Na und? In Österreich homma a an Schnee!“ und
aber nur lächelnd mit dem Kopf genickt und mich für die Auskunft bedankt.
Da fahren wir drei dann also Richtung
Egilstadir. Es gibt genau zwei Straßen, die in diese Stadt führen. Wir nehmen
die erste Straße und so langsam beginnt es immer mehr zu scheien. Irgendwann
wird diese Straße zu einer Schotterstraße. Mittlerweile bin ich schon gewöhnt, hin
und wieder auf einer Schotterstraße zu fahren und gerate dabei auch nicht mehr
so schnell in Panik, dass Pola dabei etwas zustoßen könnte. Doch so langsam
beginnt jene Straße anzusteigen und es kommt auch gleich einmal ein
Zehn-Meter-Straßenabschnitt, auf welchen komischerweise Schnee liegt. Ich nehme
Schwung mit dem Auto, schalte auf einen niedrigen Gang, weil ich irgendwo
einmal gehört habe, dass das besser sein soll bei rutschigen Fahrbahnen und
somit stellt dieser erste Straßenabschnitt auch kein Problem für mich da.
Hundert Meter lang hat Pola dann wieder mit ihren Sommerreifen guten Halt auf
Schotter bis die Straße dann wieder mehr ansteigt und der nächste
Schneeabschnitt kommt. Bei diesem zweiten Versuch scheint meine niedrigtourige
Schwungtaktik nicht mehr zu funktionieren und Pola entscheidet sich dazu mit
ihren Reifen im Schnee durchzudrehen und stecken zu bleiben. Kein
vorwärtsfahren und kein rückwärts schieben mehr möglich. Camille und Yvo (so
der Namen der französischen Insassen des Vehikels) helfen anschieben und siehe
da es geht weiter auf Schotterstraße. In etwa fünfzig Meter Entfernung sehe ich
den nächsten Schneeabschnitt kommen, bei welchen der Schnee sehr hoch zu sein
scheint. Die Straße steigt auch wieder mehr. Ich gebe gas, übliche Taktik, sehe
den Schnee immer näher kommen und obwohl ich eigentlich jetzt schon weiß, dass
ich da niemals durchkommen kann, da die Höhe des Schneehaufens ein Problem für
die Autohöhe darstellen wird möchte ich doch das Endergebnis meiner Weiterfahrt
erfahren.
Natürlich bleibt Pola stecken. Mir
steigt es heiß in den Kopf, weil das Auto steckt jetzt echt wieder tief in der
Schneescheiße. Ich fange an Kieferzuknirschen, eine innere Spannung habe ich
sowieso schon, seit ich den ersten Schnee fallen gesehen habe. Yvo et Camille
steigen wieder aus dem Auto, doch die Reifen und auch ich drehen nur durch. Zu
viel Schnee! Die beiden Franzosen schaufeln mir die Reifen frei bis ich es dann
schaffe, mit dem Auto zurück zu schieben. Die beiden steigen wieder auf den Rücksitz
und reiben sich die Hände – anscheinend scheint es draussen etwas kalt zu sein.
Ich schiebe ein Stück zurück bis ich auf Schotterstraße zurück komme, wo es
sicher ist, mit Pola zu wenden. „Tut mir leid!“ sage ich, hier gibt wohl
erstmal kein weiterkommen. Aber Gott sei Dank gibt es lt. neugekaufter
Fahrkarte noch eine weitere Straße, die nach Egilstadir führt. Bis zu dieser
Straße fahren wir ca. eine halbe Stunde. Ich entspanne mich wieder so langsam
und denke mir, dass Schneefahrbahn doch nicht so perfekt ist für Pola.
Wir kommen zur Kreuzung, wo diese Straße
Richtung Stadt abzweigt. Nach ein paar Kilometern beginnt es wieder zu scheien,
aber bis jetzt nicht weiter schlimm. Bis jetzt! Der Schnee wird immer wie
stärker und dichter. Ich denke mir: „Zum Glück ist das Auto weiß, so kann es im
Schnee ausgezeichnet gesehen werden!“ Es beginnt wieder Schneefahrbahn auf eher
ebener Straße, aber bis jetzt nicht weiter schlimm. Bis jetzt! Der Schneefall
wird zu einem Schneesturm. Ich sehe teilweise keine zwei Meter mehr, verliere
teilweise die Orientierung, weil auch die neofarbig bemalten Straßenstecken
inzwischen nicht mehr zu erkennen sind. Die Tatsache, dass es links der Straße
ein paar Meter in den Graben geht entpannt mich nicht. Ich ruf in Gedanken nach
allen möglichen Heiligen und Schutzengeln und schreie mental: „Ich bringe euch
in die scheiß Stadt, es komme was wolle!“ Bis dann das Auto doch wieder in der
Schneefahrbahn stecken bleibt, so wie vorher, nur inklusive Schneesturm. Der
Schädel wieder heiß, die Zähne knirschend und meine Muskulatur angespannt wie
nur wos, empfinde ich kurz Momente absoluter Verzweiflung und sage zu meinen
neuen Insassen „Es tut mir leid, ich kann hier nicht weiter!“ Wie schön, dass
ich jetzt drauf komme, wo ich schon eine Viertel Stunde auf Schneefahrban in
den Schneesturm mit einem weißen Polo mit Sommerreifen hineingefahren bin.
Umkehren ist auf der Straße unmöglich, die Straßen sind zu rutschig, man sieht
den Rand nicht wirklich und es fahren andauern Allradautos vorbei, die mein Auto
aufgrund seiner Tarnfarbe vermutlich nicht gleich sehen werden.
Ich schalte alle Lichter ein, die Pola
zu Verfügung hat. Yvo et Camille geben mir einen initialen Schubs vorne an der Motorhaube, damit
ich rückwärts losfahren kann. Sie steigen ein und lassen die Türen offen und schauen nach
hinten raus. Ich lege den Rückwärtsgang ein und beginne rückwärts zu schieben –
in einem ziemlich geringen Tempo natürlich. Da ich immer wieder Orientierung
verliere, da ich außer weiß, nur mehr weiß sehe, weißen (i woaß das ma weißen mit s schreib) mir Yvo und Camille
mit den Worten „To se left, to se right!“ den Weg rückwärts. Hin und wieder
komme ich ziemlich nahe dem „Abgrund“ wo dann Yvo ruft „Stop!!! More to se right!“ Die Spannung nimmt noch mehr zu, als die
beiden sagen, dass ein Auto von hinten kommt – natürlich ein Allrad. Es kommen
im Laufe des Manövers mehrere Autos vorbei. Einige bleiben stehen, lassen die
Scheibe herunter und fragen leicht schelmisch lächelnd, ob sie mir irgendwie
behilflich sein können. Einer bietet mir sogar an, dass er mir voraus fährt und
ich ihm nachfahren soll. Aber ich lehne dankend ab und meine, dass es unmöglich
ist für mich hier weiter zu kommen. Nach etwa einer viertel Stunde rückwärts
schieben beginnt vom kuppeln meine linke Wade zu krampfen und an Kraft zu
verlieren. Ich bin auch schon kurz davor, meine Nerven weg zu werfen und stelle
mir vor, wie ich Kupplung loslasse, und das Auto rückwärts in den Graben fahren
lasse um mich von dort dann retten zu lassen. Aber schade ums Auto. Ich rufe
wieder alle meine geistigen Helfer und nehme wieder all meine Kraft zusammen.
Ein Bus fährt an uns vorbei und wieder ein anderes Auto, das stehen bleibt und
uns Hilfe anbietet. Dass wir nicht übersehen werden, winken Camille und Yvo
hinten bei offener Autotüre raus um auf uns aufmerksam zu machen. Der Autofahrer
meint, dass es noch etwa 15 Minuten rückwärts gehen würde, bis die
Straßenverhältnisse wieder akzeptabler werden.
Nach zehn Minuten wird der Abgrund links
von der Straße seichter und drehe endlich in mehreren Zügen um. Endlich kann
ich wieder gerade aus fahren. Ich bedanke und entschuldige mich gleichzeitig
bei den Autostoppern, die mittlerweile halb erfroren wieder die Autotüren
hinten schließen können. Das war nun auch die letzte Chance nach Egilstadir zu
kommen. Wir fahren zurück in eine kleine Stadt bei den Ostfjorden. Der Schnee
hört langsam wieder auf und mit dem Schnee beginnt auch die Anspannung zu
verschwinden. Ich muss einmal auf der Straße stehenbleiben und eine anrauchen.
Wir kommen gerade noch rechtzeitig in
ein fast ausgebuchtes Hostel und nehmen und dort ein Zimmer und blicke mit
einem Lachen und Stolz auf die letzten Stunden zurück. Yvo und Camille laden
mich auf Bier und essen ein und wir lassen das Geschehene immer wieder Revue passieren. Sie meinen auch, dass ich in der Situation ziemlich entspannt
gewirkt hätte. Freut mich zu hören, dass ich meine innere Unsicheit und
Anspannung anscheinend gut kaschieren kann. Ich muss ihnen mehrmals sagen, dass
sie heute wahrscheinlich mein Leben gerettet haben. Sie meinen dasselbe zu mir.
Ich danke dem Leben, dass es mir heute
die beiden geschickt hat. Abgesehen davon, dass es einmal gut getan hat in
Gesellschaft zu sein, wüsste ich nicht genau, ob ich hier lebend wieder heraus
gekommen wäre, wenn ich alleine die Wege bestritten hätte. Ich weiß zwar auch
nicht, ob ich überhaupt nach Egilstadir gefahren wäre, wenn ich die beiden
nicht getroffen hätte, aber sie waren auf jeden Fall zur richtigen Zeit am
richtigen Ort.
Am nächsten Tag haben wir dann
beschlossen, uns wieder auf den Weg Richtung Schönwetter zu machen. Y.et.C. wollten von Egilstadir aus wandern gehen, aber da der Schnee nicht so bald
aufhören wird, haben sie beschlossen mit mir mitzukommen worüber ich sehr
glücklich war. Wir sind also dann am nächsten Tag vom Osten komplett in den
gegenüberliegenden Westen gefahren. Eine herrliche elfstündige Fahrt! Bei
Schönwetter hab ich nun viel Gesehenes noch einmal wie eine Art Zusammenfassung
in einem anderen Licht betrachten können. Alles schien viel grüner und
leuchtender. Bei einer kurzen Rast bei einem großen Gletschersee haben sich
auch Robben gezeigt, worüber ich überglücklich war. Um Mitternacht im Westen
angekommen, bauen die Franzosen ihr Zelt auf und ich verbringe die kalte Nacht
im Auto. Am nächsten Tag trennen sich mit Umarmungen und Danksagungen unsere
Wege. Danke für diese Begegnung!
Meine Lebensretter Camille & Yvo & Pola |
Nachtrag 19.9.2012: Vor zwei Wochen waren mich die beiden in Österreich besuchen und Camille hat gemeint, sie hätte an diesem Tag heimlich hinten im Auto geweint, weil sie geglaubt hat, dass sie an diesem Tage sterben würde... Gott sei Dank hab ich das nicht mitbekommen, ich hätte vermutlich mitgeweint! :-)
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